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Bitte nicht lächeln!

Hie(r) und da habe ich es schon mal erwähnt, aber Fotos von lächelnden Menschen mache ich weniger gern - wenn ich die Wahl habe. Dieses Foto nehme ich mal zum Anlass, das zu erklären.

 

Es gibt einen ganz hervorragenden musikalischen Kraftriegel von The Acacia Strain: "Btm Fdr" heißt die musikgewordene bunkerbrechende Druckwelle, verziert mit allerhand Lyrics, über sich sich pfiffige Köpfe sicherlich gern dieselben zerbrechen. Zwei Zeilen growle ich im Geiste aber immer besonders gerne mit: "We live in troubled times / Don't tell me everything is fine."

 

"Nailed it!", möchte man als Freund des Internet-Slangs hineinrufen, "made my day!". "Obacht", tritt da ein Millennial hervor, "letzteres ist doch sehr 2010". "Na und", entgegnete ich unwirsch, "ich bin ungefähr hundert Jahre alt, was interessieren mich da zehn, du kesser Jungspund!"

 

Aber sei es drum, es gibt sicherlich und völlig zu Recht ganz hervorragende Fotos von Menschen, die von Rehkitzen umsprungen in die Abendsonne lächeln, weil sie offenbar ganz trunken vor Glück sind. Und ich gönne das jedem. 

 

Spannend finde ich aber die Nuancen in der Mimik von Leuten, wenn die Welt sich gerade nicht im Freudentaumel an den Bürzel fasst. Hinter leisen Blicken tun sich oft Welten auf, die der oder die Fotografierte so nicht teilen kann oder will - aber der Blick selbst gibt eine Ahnung. Es ist wie ein Teaser, der auf das Dahinter verweist, ohne dass man es betreten könnte.

 

Im Alltag sehe ich oft Menschen, deren Blick mich fesselt. Kurze Augenblicke, die wie ein Streichholz aufflammen. Für einen Moment wird man daran erinnert, dass jeder Mensch seine Geschichte hat, die sich hinter dem Vorhang des Augenblicks abspielt.

 

Und dieses Dahinter muss gar nicht mal negativer Natur sein: Es ist eher die ehrliche Tiefe eines verschwiegenes Blickes, der mich fesselt.

 

Ein Lächeln wäre in diesem Bild der Rausschmeißer, der über die Bühne läuft und ruft: "Gehen Sie weiter! Es ist alles in Ordnung, hier gibt es nichts zu sehen."

 

Letztlich ist die Suche nach der ehrlichen Tiefe des Blickes die Suche nach einem wahrhaftigen Zugang zum Menschen selbst.

 

Nachtrag: Ich betone es ja immer gerne - darum hier direkt mit Pauken und Trompeten noch einmal: Pia ist auf Instagram! Folgt ihr hier.

 

Noch ein Nachtrag: Nach dem Hinweis der Abgebildeten bin ich ja nun ganz verunsichert, ob es "hier und da" oder "hie und da" heißen muss. Wer weiß es?