Da ist sie wieder, die Jahreszeit, in der man abends vor die Tür gehen und Flora und Fauna fotografieren kann: Die Tage werden länger, warmer Wind streicht übers Gesicht und das Sonnenlicht bescheint drollige Tiere. So auch diesen Reiher - dem ich so lange unrecht getan habe.
Normalerweise läuft ein Spaziergang an der Nuthe so ab: Ich halte nach dem Eisvogel oder anderen bisher unfotografierten Fabelwesen Ausschau, erblicke ungefähr vierundneunzig Reiher, denke halb gelangweilt "Die hab ich schon" und ziehe weiter, den Eisvögeln und Fabelwesen entgegen.
Dieses Mal aber blieb ich ein Weilchen stehen, weil ein Reiher offenbar kurz davor war, wegzufliegen. Das erkennt man ganz gut an seiner Haltung: Bei der Fischjagd fixiert er unablässig mit nach unten gerichtetem Kopf das Wasser, um schnell mit dem Schnabel hineinstoßen zu können. Fühlt er sich jedoch gestört, richtet er sich auf, schüttelt kurz einen Ruck durch seinen Körper und fliegt dann davon.
Hier war er gerade in der Aufrichtephase, deshalb hielt ich drauf. Er breitete die Flügel aus und hopste direkt ins Wasser - weiß der Reiher warum. Dort schwang er die Schwingen, erhob sich aus den Fluten, kämpfte etwas mit den Windböen und ließ sich dann wieder auf eben dem Ast nieder, auf dem ich ihn zu Beginn erblickt habe.
Übrigens, Nerdtalk: Wenn das Licht weggeht und man mit einer größeren Brennweite fotografiert, steht man ja gerne mal vor dem Problem, dass die kurzen Verschlusszeiten (Faustregel: Verschlusszeit < 1/Brennweite) auch bei Offenblende zu dunkle Bilder produzieren. Was tun? Meine Heransgehensweise:
- bei langsamen Motiven etwas Vertrauen zum Bildstabilisator entwickeln und Verschlusszeiten verlängern
- Auto-ISO nutzen, dabei aber je nach Kameramodell auf die Obergrenze achten (ich stelle maximal 6400 ein) - sonst rauscht's zu sehr
- wenn Auto-ISO ein: Über die Belichtungskorrektur ein bis zwei Stufen dunkler belichten, dann in der Nachbearbeitung aufhellen (wenn RAW)
- wenn Auto-ISO und/oder Programmautomatiken aktiviert sind, darauf achten, nicht mit der Matrixmessung, sondern mit der Spotmessung zu arbeiten, der Spot sollte das gewählte Fokusmessfeld sein
Und noch ein Tipp: Auch wenn das Licht bei niedriger ISO und Offenblende noch ausreicht, lohnen sich diese Schritte, um die Blende etwas zu schließen, da der Auto-Fokus bei der Offenblende manchmal ungenau arbeitet. Und da beginnt dann das Abwägen: Mehr Schärfe, mehr Rauschen? Oder weniger Rauschen, dafür manchmal Fehlfokus?
So probiert es sich prima durch die Stunden der beginnenden Finsternis. Aber das ist ja das Schöne an der Jahreszeit: Ein Motiv, das heute um 19:02 Uhr zu dunkel gerät, wird in zwei Wochen von ganz allein hell genug sein.