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Wroooooooom! Pia und ihre Mopete

In vielen Aufnahmesituationen setzt man Personen in Szene. Pia hingegen inszeniert sich problemlos selbst. Das macht das Shooting deutlich einfacher - auch wenn es für mich das erste dieser Art war. (Kann Spuren von Nerdtalk enthalten.)

 

Pia ist nicht nur Vorzeigemensch und Ausnahmeköchin, sondern auch Motorradfahrerin. Dieser Spezies wohnt ja eine Coolness inne, die anderen Menschen zuweilen fehlt. Zum Beispiel solchen, die ihr Klappfahrrad im Gepäckteil der Regionalbahn verstauen und anschließend in "Deutschlands schönste Springbrunnen" schmökern.

 

Nun gibt es ja diverse Fotos, auf denen sich knapp bekleidete Frauen als aufgehübschte Accessoires auf der Maschine räkeln. Bei Pia wollte ich das nicht:

 

Man muss sie sich auf dem Motorrad ungefähr so vorstellen wie *dein Lieblingsstar* aus einem der 42 The-Fast-And-The-Furious-Filmen. Pia ist kein Accessoire - sie ist diejenige, die dir im Rückspiegel zuzwinkert, kurz bevor sie dich im Nebel ihres Kondensstreifens stehen lässt.

 

Andere Verkehrsteilnehmer*innen kennen also eher das Heck von Pias Yamaha MT-09. Stellen wir uns das kurz vor: Behaglich tuckert der Familienkombi auf der mittleren Spur mit 120 km/h Richtung Springbrunnenmuseum. Dann ein leichtes, immer stärker spürbares Beben, ein nervöses Zucken in den Augenbrauen des Fahrers, als er in den Rückspiegel schaut, da rauscht Pia auch schon heran, zieht mit dem Donnern ihres Überschallknalls vorbei und ist innerhalb eines Herzschlags bereits aus dem Sichtfeld.

 

Diese Szene behielt ich mir vor dem geistigen Auge, als ich Motive für das Shooting plante. Wir hatten an diesem Tag bereits zahlreiche Fotos geschossen, alle mit der Intention, die schnellste Frau Europas auf Film zu bannen.

 

Dieses hier realisierten wir zuletzt, da wir auf den Sonnenuntergang (epischer Background und so) angewiesen waren. Dann begann die Sonne, zum Horizont zu sinken - und plötzlich ging alles ganz schnell:

 

Nach der Positionierung von Pia und ihrem Motorrad lief ich fortlaufend hektisch zwischen Kamera und Blitzen hin und her. Herausforderung: Verschlusszeit, ISO, Blende und Blitze in Einklang zu bringen, um einerseits das Motiv gut zu belichten, andererseits einen knackigen Hintergrund zu haben - man will ja keine Belichtungseinstellungen wählen, die Sonnenuntergang und Wolkendecke ausbrennen.

 

Außerdem ist mit jedem Meter, den die Sonne weiter Richtung Horizont schwebt, weniger Licht da. Eine Belichtungseinstellung, die eben noch perfekte Ergebnisse lieferte, kann fünf Minuten später schon viel zu dunkle Bilder produzieren.

 

Hier wäre jetzt Raum für Zwischenfragen... Ja? Da vorne, in der ersten Reihe?

 

"Warum stellen Sie nicht einfach auf Automatik?", schallt es mir aus dem Rund des Auditoriums entgegen. Die Frage finde ich super! Endlich mal eine Gelegenheit, etwas klarzustellen:

  • Meine Kamera hat gar keinen "all-in-one" Automatikmodus. Es gibt aber diverse Teilautomatiken, die ich natürlich auch zweckbezogen nutze. Prominentes Beispiel: Der Autofokus im jeweiligen Fokusmodus. Außerdem, unter anderen: Zeitautomatik, Blendenautomatik, ISO-Automatik, Blitzautomatik und so weiter.
  • Jetzt der Hauptgrund, ohne zu sehr in technische Details zu gehen, darum etwas vereinfacht: Je nach gewählter Automatik wird die Belichtungssteuerung an die Kamera abgetreten. Die denkt dann zum Beispiel: "Oh, Bild zu dunkel, ich muss also Belichtungseinstellungen wählen, die ein helleres Bild hervorbringen."
  • Das macht sie meistens durch Korrektur von Blende, Verschlusszeit oder ISO. Und jetzt kommt das Aber.
  • Diese Werte beeinflussen nämlich auch andere Bildaspekte, die ich vielleicht gar nicht verändern will. Am Beispiel des vorliegenden Bildes: Die Verschlusszeit ist auf die Helligkeit des Hintergrundes abgestimmt. Der soll so bleiben, hier will ich also keinen Eingriff durch die Kamera.
  • Die Blende gestaltet nicht nur die Tiefenschärfe, sondern reguliert auch die Blitzstärke. Beides habe ich so gewählt, wie es für das Motiv am besten passt, auch hier möchte ich keine Veränderungen.
  • Auch ISO und Blitzstärke selbst habe ich auf das Motiv abgestimmt (Reflektionen minimieren bei optimaler Ausleuchtung, ausgewogene Belichtung im Zusammenspiel mit den anderen Bildbereichen).
  • Also der Unterschied liegt einfach darin, dass ich im manuellen Modus sehr genau bestimmen kann, mit welchen Belichtungswerten ich welches Ergebnis erreichen werde, die Automatik der Kamera aber im Zweifel einfach denkt: "Oh, Bild zu dunkel, ISO rauf/Blende auf, Blitz heller/Verschlusszeit runter." Und so sieht das dann auch meistens aus.

Aber zurück zum Shooting:

 

Ich rannte also hin und her und her und hin und Pia glänzte mit so einer professionellen Geduld, dass ich fast schon überlegte, wie viele Shootings sie wohl heute schon gehabt habe. Und wie es ihr erging, so in Lederkombi ewig auf der Stelle stehend, mal das Motorrad ausrichtend, mal die Körperhaltung korrigierend, dabei immer posierend, nicht aus der Rolle fallend, konnte ich kaum erahnen. Aber es lohnte sich.

 

Denn als schließlich dieses Foto über das Vorschaudisplay flimmerte, wusste ich: Das ist es. Zufrieden hielt ich inne. Kurz ein Satz aus Fotografensicht: Es ist wirklich ein grandioser Moment, wenn man während des Shootings nach einer Aufnahme sieht, dass man eine Idee eins zu eins umsetzen konnte.


Auch Pia gefiel das Bild sehr - und das ist dann noch grandioser.

 

Nachtrag 1 - unter uns: Nicht immer funktioniert alles wie gewünscht, manchmal hat man auch die offenbar schönste Idee seit Erfindung der Fotografie und dann klappt einfach gar nichts (Im Zweifel ist das Wetter schuld.).

 

Nachtrag 2: Normalerweise sind mir Zahlen ohne Kontext nicht so unglaublich wichtig. Als die gute Pia aber dieses Bild auf ihrem sehr ambitioniert geführten Insta-Account hochlud und es das erste Foto von ihr war, das die 1.000 Likes knackte, da freute ich mich schon ein wenig solidarisch mit! Hier geht's zu ihrem Account!